Ganz zwölf Jahre verbrachte Elizabeta XX im Josefinum. In dieser Zeit ist sie vom jungen Mädchen zur Frau gereift, hat die Matura absolviert und studiert jetzt Erziehungs- und Bildungswissenschaften. Wie sie das alles geschafft hat, erzählt sie im Interview. Was waren besondere Erlebnisse zu Beginn? Elizabeta: Es war für mich eine total neue Situation,...
GeschichtenIch war bereit, mein eigenes Leben zu führen
Ganz zwölf Jahre verbrachte Elizabeta XX im Josefinum. In dieser Zeit ist sie vom jungen Mädchen zur Frau gereift, hat die Matura absolviert und studiert jetzt Erziehungs- und Bildungswissenschaften. Wie sie das alles geschafft hat, erzählt sie im Interview.
Was waren besondere Erlebnisse zu Beginn?
Elizabeta: Es war für mich eine total neue Situation, was ja klar ist. Man ist auf einmal von zu Hause weg und lebt quasi wo anders. Zu Beginn, an das kann ich mich noch erinnern, hatte ich starkes Heimweh. Doch ich lernte meine Mitbewohner:innen kennen und konnte auch schnell neue Freundschaften knüpfen. Was mir besonders gut gefallen hat, waren die Angebote, die wir als Kinder hatten, wie zum Beispiel das Reiten bei der Anica, Spielpädagogik mit der Heidi oder Kunstpädagogik mit dem Herbert. Ich konnte mit ihnen wirklich eine Bindung aufbauen und bin gerne zu ihnen gegangen. Außerdem war es für mich etwas Besonderes da teilnehmen zu dürfen, weil ich es von daheim nicht so kannte und auch nie die Möglichkeit gehabt hätte, so vielen Freizeitaktivitäten nachzugehen.
Wer hat Sie während Ihrer Zeit im Josefinum besonders unterstützt oder geprägt?
Elizabeta: Als ich noch in der Kindergruppe war, das war bis zu meinem 13. Lebensjahr, da haben mich meine damaligen Betreuer sehr unterstützt. Sei es Schulisches, Privates oder auch andere Angelegenheiten. Sie hatten wirklich immer ein offenes Ohr für mich. Als ich dann in die Jugendgruppe wechselte, konnte ich sehr schnell eine Bindung zu Sara aufbauen. Sie war und ist wirklich sehr wichtig für mich. Durch sie konnte ich sehr viele Dinge für mein Leben lernen. Ich konnte ihr auch wirklich alles sagen, was mir am Herzen liegt, sie war die einzige große Vertrauensperson für mich.
Welcher Ort beziehungsweise Platz im Josefinum ist für Sie etwas Besonderes und warum?
Elizabeta: Für mich persönlich war es mein Zimmer, weil ich mich immer darin zurückziehen konnte und es für mich quasi mein privater Bereich war, in dem ich mich beschäftigen konnte. Mein Zimmer war für mich mein ruhiger Rückzugsort. Zu Hause hatte ich nicht die Möglichkeit, ein eigenes Zimmer zu haben, daher kenne ich die Vor- und Nachteile sehr gut.
Was waren die schönsten Momente im Josefinum?
Elizabeta: Für mich waren die Gruppenurlaube nach Kroatien eine schöne Erinnerung. Es tat gut, in einer anderen Umgebung zu sein. Es war für mich eine ganz andere Atmosphäre, man fühlte sich nicht so als wäre man ein „Heimkind“, sondern eher als Urlaubergruppe. Eines der schönsten Momente war auch, als mich Sara motivierte, die Schule doch anzufangen und nicht einen anderen Weg einzuschlagen. Dies war die beste Entscheidung für mich. Auch die Sommerfeste, die es im Josefinum jährlich gab und noch immer gibt, fand ich immer sehr schön, weil wir alle beisammen waren und miteinander verschiedenen Aktivitäten nachgingen. Was mich immer so fasziniert hat, war die Feuershow als Abschluss des Festes. Ich liebte es, diese zu sehen. Es gab wirklich viele schöne Momente für mich im Josefinum. Das Weihnachtsfest zum Beispiel war auch eines davon. Ich hatte ja auch einen Bruder und eine Schwester, die auch im Josefinum waren und somit war es gut zu wissen, dass man sie in seiner Nähe hat und sie immer besuchen kann.
Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie das Josefinum verlassen haben?
Elizabeta: Ich war schon froh, das Josefinum nach so vielen Jahren verlassen zu können. Ich war einfach bereit, mein eigenes Leben zu führen und hatte keine Angst davor. Klar war es komisch, nach so vielen Jahren tschüss zu sagen, aber es wurde ja auch Zeit. Ich wusste aber auch, dass ich ja trotzdem immer wieder kommen werde und somit eine Verbindung zum Josefinum besteht, da ich noch eine Schwester habe, die ebenfalls noch bis Ende dieses Jahres im Josefinum lebt.
Was haben Sie nach der Josefinum-Zeit gemacht?
Elizabeta: Ich bin mit meinem Freund zusammen in eine Wohnung gezogen. Dann ließ ich mich für mein Studium inskribieren und studiere nun „Erziehungs- und Bildungswissenschaften“. Nebenbei arbeite ich noch geringfügig.
Haben Sie noch Kontakt zu ehemaligen Mitbewohner:innen oder Betreuer:innen?
Elizabeta: Also zu Mitbewohner: innen eher weniger, ab und zu noch mit einer, aber auch nicht intensiv. Ich habe meinen Freundeskreis, die haben aber jedoch nicht im Josefinum gelebt. Mit gewissen Betreuer: innen habe ich sehr wohl noch Kontakt, was ich sehr schön finde.
Was verbinden Sie mit dem Josefinum?
Elizabeta: Eine Institution, die mir sehr viel Halt und Sicherheit aber auch Möglichkeiten gegeben hat, die ich zu Hause niemals gehabt hätteHausHDF. Ohne das Josefinum wäre ich jetzt definitiv nicht hier, wo ich gerade bin. Ich verbinde mit dem Josefinum viel Positives und kann nun sagen, dass ich froh bin, dort gelebt haben zu dürfen.
Wie sieht aus Ihrer Sicht das Josefinum in 25 Jahren aus?
Elizabeta: Es wird sich auf jeden Fall nicht ins Negative verändern, sondern immer mehr Möglichkeiten für die Kinder und Jugendlichen bieten. Eventuell werden neue Ansätze dazu kommen, mit denen im Josefinum gearbeitet werden wird. Ich persönlich würde generell die Eltern noch mehr ins Boot holen und wirklich auch Angebote anbieten, in denen die Eltern mit dem Kind und dem Bezugsbetreuer gemeinsame Aktivitäten durchführen – sogenannte Elternarbeit.
Worauf sind Sie jetzt besonders stolz?
Elizabeta: Ich bin stolz darauf, dass ich eine gute Schule abgeschlossen (Bafep) und sogar schon einen Beruf habe und nun auch fast am Ende meines Studiums bin und als Sozialpädagogin arbeiten werde. Ich bin auch einfach stolz darauf, dass meine Geschwister und ich so stark sind und zusammenhalten, trotz allen schwierigen Situationen, die uns im Leben passiert sind.
Was würden Sie den jetzigen Kindern im Josefinum mit auf den Weg geben?
Elizabeta: Klar hat man Heimweh und will am liebsten bei Mama und Papa wohnen. Das ist verständlich, sie werden immer eure Familie bleiben. Doch das Josefinum ist sehr bemüht, dass es euch gut geht und wenn ihr dann mal als Erwachsener raus in die Welt geht, werdet ihr merken, wie gut das Josefinum getan hat und vieles anders gewesen wäre, hättet ihr zu Hause gelebt. Ich spreche selbst von meinen Erfahrungen. Auch wenn es manchen schwer fällt, sich in einer neuen Unterbringung einzuleben, sollte man ihnen früh beibringen, sich an neue Sachen zu gewöhnen und wertzuschätzen, was man hat. Das Josefinum bietet sehr viel und ist bemüht, jedem Kind gerecht zu bleiben, jene Sicherheit, Unterstützung sowie auch Geborgenheit zu schenken. Faktoren, die den Kindern, die zum Beispiel in einem unstabilen Familiensystem groß geworden sind, nicht geboten werden. Mit Sicherheit kann ein Kind dies in jungen Jahren nicht ganz nachvollziehen. Sobald es aber älter und erfahrener wird, ändert sich somit auch die Einstellung. Dies ist nicht bei jedem Kind möglich und genau aus diesem Grund ist das Josefinum auch ein guter Ort, um sich später selbst zu reflektieren, das eigene Umfeld besser zu verstehen, sofern das Kind natürlich den Willen dazu hat. Das Josefinum unterstützt die psychische als auch physische Ebene. Schätzt diese Zeit, die ihr dort habt und versucht nicht gegen eure Betreuer zu sein, sondern kooperiert beziehungsweise bemüht euch, mit ihnen gemeinsam eine Bindung aufzubauen, um dementsprechend einen guten Draht zu haben.
Wie hat Sie das Josefinum geprägt?
Elizabeta: Familie ist etwas sehr Wichtiges im Leben. Natürlich habe ich eine Familie. Jedoch kann ich nicht sagen, dass ich in einer Familie aufgewachsen bin, die mir eine sichere Bindung bieten konnte. Daher konnte ich nicht das Urvertrauen entwickeln. Das Leben im Josefinum hat mir gutgetan und gezeigt, was gesunde zwischenmenschliche Beziehungen sind. Ich hatte die Möglichkeit, mich abzulenken, den Stress zu Hause zu „vergessen“, mich so gut zu entwickeln, dass ich heute sagen kann, dass aus mir eine reife, reflektierte, junge Frau geworden ist. Das Leben zu Hause war nicht einfach und je älter ich wurde desto bewusster wurde es mir. Das Josefinum konnte mich in dieser Hinsicht sehr gut unterstützen. Mich haben auf jeden Fall viele Menschen geprägt. Besonders meine Betreuer, die mir in schweren Zeiten gut helfen konnten und immer ein offenes Ohr für mich hatten. Auch ihre Worte und ihre Ratschläge haben mir oft sehr viel gebracht, als ich nicht mehr wusste, wie ich mein Leben auf die Reihe bekommen soll. Mir war es immer unangenehm zu erzählen, dass ich im Josefinum lebe, nur meine engsten Freunde wussten es. Ab einem gewissen Alter änderte sich meine Einstellung und heute kann ich mit Sicherheit sagen, dass das Josefinum in mehreren Gesprächen fallen wird, besonders mit meinen Kindern.