GeschichtenDie Arbeit im Josefinum hat viele meiner Ansichten geändert

21. Mai 2019by wuapaa0

Sara XX arbeitet seit dem Jahr 2015 im Josefinum und ist derzeit in Karenz. Im Interview erzählt sie, durch welche Höhen und Tiefen sie mit ihrem Bezugskind Elizabeta gegangen ist und wie sie die Zeit im Josefinum selbst geprägt hat.   Wie haben Sie diese Elizabeta im Josefinum-Alltag erlebt? Sara: Ich hatte das große Glück...

Sara XX arbeitet seit dem Jahr 2015 im Josefinum und ist derzeit in Karenz. Im Interview erzählt sie, durch welche Höhen und Tiefen sie mit ihrem Bezugskind Elizabeta gegangen ist und wie sie die Zeit im Josefinum selbst geprägt hat.

 

Wie haben Sie diese Elizabeta im Josefinum-Alltag erlebt?

Sara: Ich hatte das große Glück Elizabeta in einer Phase ihres Lebens zu begleiten, die geprägt von vielen Veränderungen war. Sie wurde von einer Jugendlichen zu einer erwachsenen jungen Frau, entsprechend habe ich sie in den Jahren auch unterschiedlich wahrgenommen und durfte verschiedenste Facetten ihres Charakters und ihrer Persönlichkeit kennenlernen: Zurückhaltend und schüchtern, aber auch mutig und laut, zickig und von allen Dingen und Personen genervt, aber auch sehr erwachsen, reflektiert und überlegt. Generell habe ich sie immer als reifer wahrgenommen, als es ihr Alter hätte vermuten lassen. Alles in allem ist und war sie eine sehr herzliche und hilfsbereite junge Dame, zu der viele BewohnerInnen der Gruppe aufgesehen haben.

 

An welches Erlebnis mit Elizabeta erinnern sie sich gern zurück?

Sara: Es gibt viele Erlebnisse, die besonders waren und viele, an die ich gerne zurückdenke. Jedoch werde ich nie den Tag der Verleihung ihres Maturazeugnisses vergessen, weil dieser Moment so viel mehr war als nur das Ende einer Schulzeit. Es war einer von wenigen Momenten, an dem sie sichtlich und uneingeschränkt stolz war – auf sich und ihre Leistungen. Wie oft hatte sie Zweifel und oft wollte sie aufgeben, vor allem als es schwierig wurde, aber in diesem Moment stand sie da und hatte es beendet, alleine und aus eigener Kraft und es war als hätte sich Etwas verändert. Und auch für mich persönlich war es sehr emotional, weil nun ein großer Lebensabschnitt vorbei war und auch der Auszug aus dem Josefinum für sie bevorstand. Es überwog Freude, Stolz und Dankbarkeit, dass ich sie einen Teil ihres Lebens begleiten durfte, jedoch war ich auch traurig. Denn neben all der Professionalität, ist es weit mehr als nur Arbeit und gewisse Bewohner:innen wachsen einem besonders ans Herz.

 

Welches Erlebnis war weniger schön?

Sara: Am Ende der Sommerferien, nach ihrer Zeit in der Unterstufe, schrieb sie mir eine Nachricht, in der sie verkündete, dass sie nicht in die weiterführende Schule gehen würde, generell keine Schule mehr besuchen und auch nicht mehr ins Josefinum zurückkommen würde. Sie war daraufhin nicht erreichbar und reagierte nicht auf meine Anrufe. Grundsätzlich finde ich es wichtig, Kinder und Jugendliche zu hören und nicht zu einer Schule oder dergleichen zu zwingen, wenn sie andere Pläne für ihr Leben haben. Aber ich wusste genau, dass dies erneut eine Phase in ihrem Leben ist, in der sie sich überfordert fühlt, es sich leicht machen will, sich eventuell Dinge von außen einreden lässt, ohne wirklich auf sich selbst zu hören. Ich kannte ihre Pläne, die sie seit Jahren verfolgte und deshalb passte das gar nicht zu ihr. Auch wusste ich definitiv, dass sie im Josefinum bleiben möchte, zumindest noch eine Zeit. Es ärgerte mich, dass sie es sich erneut so einfach machen und sich ohne ein Gespräch aus der Situation entziehen wollte. Ich bat sie, sich etwas Zeit zu nehmen – ich fuhr am ersten Schultag in die neue Schule, um sie krankzumelden und bat darum, sie bei der Klasseneinteilung zu berücksichtigen. Gott sei Dank ging der Plan auf und sie kam, war bereit für ein Gespräch und hatte die Zeit genutzt, um für sich nachzudenken. Generell muss ich aber sagen, so ärgerlich diese Situation in dem Moment war, so wichtig war sie für die Entwicklung und die Reife, denn hinter dieser Kurzschlussreaktion stand so viel mehr und sie ließ es am Ende des Tages zu, gemeinsam eine Lösung zu finden und sich und ihre Bedürfnisse nicht zu vergessen und für sich selbst einzustehen. Also war es am Ende doch auch eine gute Situation J

 

Wie haben Sie die Zukunft von Elizabeta gesehen?

Sara: Elizabeta hatte Pläne und war bereit dafür zu arbeiten. Ich wusste vom ersten Tag, egal was sie machen und wofür sie sich in der Zukunft entscheiden würde, dass sie sehr viel erreichen kann. Es war nur wichtig, dass sie an Selbstbewusstsein dazugewann, um sich nicht einschüchtern zu lassen, aber sonst war mir immer klar, dass man sich um sie keine Sorgen machen muss. Sie wird ihren Weg gehen – und das hat sie!

 

Warum sind Sie Betreuerin im Josefinum geworden?

Sara: Die Entscheidung für meinen beruflichen Werdegang traf ich recht früh, zumindest, dass es in den sozialen Bereich gehen sollte. Ich wollte eine Arbeit mit Mehrwert und Sinn und junge Menschen einen Teil ihres Lebens begleiten und unterstützen. Ich wusste, dass es oft nicht „einfach“ wird, aber das hat mich nie abgeschreckt, im Gegenteil – einfach kann jeder. Dass ich aber im Josefinum gelandet bin, war eher dem Zufall geschuldet. Rückblickend gesehen, bin ich darüber sehr froh und dankbar.

 

Welcher Ort im Josefinum ist für Sie etwas Besonderes? Warum ist er so besonders?

Sara: Ich kann keinen Ort benennen, der für mich besonders ist. Für mich ist die Energie besonders, weil ich im Josefinum Großteils das Gefühl hatte/habe, dass für die Kinder und Jugendlichen gekämpft wird, oft viel mehr als anderswo und ich kann definitiv sagen, dass für die Meisten, die im Josefinum arbeiten, es weit mehr ist als „nur“ Arbeit und genau das spürt man und das ist besonders für mich.

 

Wie sieht aus Ihrer Sicht das Josefinum in 25 Jahren aus?

Sara: Ich hoffe, dass die Grundstruktur so erhalten bleibt und zusätzlich in den nächsten Jahren auch für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Möglichkeit besteht nach ihrem Auszug weiterhin von ihren vertrauten Betreuer:innen begleitet zu werden, zumindest noch am Anfang, bevor es raus in die große, weite Welt geht. Ein „außenbetreutes Wohnen“ vom Josefinum würde das Angebot abrunden und man hätte so die Möglichkeit, Kinder und Jugendliche auch außerhalb des Josefinum zu begleiten. Denn da werden die jungen Erwachsenen vor ganz neue Herausforderungen gestellt, die schwer in der Theorie zu erproben sind. Zusätzlich eventuell Veranstaltungen, Seminare, Treffen oder Workshops zu gewissen Themen, die für junge Erwachsene, die jetzt auf sich allein gestellt sind, von Relevanz sein könnten. Ich glaube der Fokus sollte weiterhin auf dem Thema „Ganzheitlichkeit“ liegen.

 

Worauf sind Sie jetzt besonders stolz?

Sara: Es ist keine einzelne besondere Situation, die mich stolz macht, sondern eher die Tatsache, dass ich viele Menschen begleiten durfte und mir so oft ein wahnsinniges Vertrauen entgegengebracht wurde, wo ich definitiv weiß, dass es nicht selbstverständlich ist.

 

Was würden Sie den jetzigen Kindern im Josefinum mit auf den Weg geben?

Sara: Ich weiß, es ist nicht leicht, weg von der Familie zu sein. Aber die Familie bleibt immer eure Familie und wird euch nicht weggenommen, ganz im Gegenteil. Gebt dem Ganzen eine Chance, versucht das Beste für euch mitzunehmen und vertraut darauf, dass das Beste für euch versucht wird. Und wenn ihr mit Etwas nicht einverstanden seid, traut euch darüber zu reden, die Dinge anzusprechen. Denn meist sind die Lösungen leichter, als gedacht.

 

Beschreiben Sie die Zusammenarbeit mit Ihren Betreuerkoleg:innen – wie wichtig ist das Team?

Sara: Generell hatte ich das große Glück mit einem wahnsinnig einfühlsamen, hilfsbereiten und engagierten Team zusammenzuarbeiten und ich wusste immer, wenn ich Etwas brauche, so ist immer jemand zur Stelle. Wenn mir Etwas über den Kopf wuchs oder ich in einer Situation nicht weiterwusste, so hatte ich immer die Gewissheit, dass dies offen kommuniziert werden durfte und niemals gewertet wurde – und genau das war der Grund, wieso wir es immer wieder geschafft haben über unsere Grenzen hinauszuwachsen. Die Arbeit hat mir sehr viel Spaß gemacht und einen großen Teil dazu beigetragen hat definitiv das Team, in dem ich arbeiten durfte. Wir haben oft so viel gelacht und auch in wirklich schwierigen Phasen zusammengehalten. Ich würde es als großes Privileg betrachten, wenn aus Arbeitskolleg:innen Freund:innen werden und der Kontakt über die Arbeitswelt hinaus, besteht. Natürlich hatte ich auch Kolleg:innen, mit denen ich mir schwer tat. Generell war, vor allem in den ersten Jahren meiner Arbeit im Josefinum ein großes „Hierarchie-Gefälle“ zwischen den älteren Kolleg:innen und den Neuen und es wurde oft das Gefühl vermittelt, dass man sich erst beweisen muss, was ich persönlich den falschen Ansatz finde. Ich bin großer Befürworter von der Ansicht, dass ein Team, welches eine bunte Vielfalt an Alter, Erfahrung, Ausbildung und Hintergründen hat, ein wahnsinniger Mehrwert sein kann. Denn am Ende ist es gerade in dieser Arbeit von essentieller Wichtigkeit, dass man als Team an einem Strang zieht, denn einer Allein kann oft sehr wenig bewirken und auch wenn man einmal nicht derselben Meinung ist, so kann das auch ein Mehrwert für die Gruppe sein, insofern im Team eine gewisse Kommunikationskultur herrscht, in der man voneinander lernen kann und auch darf.

 

Wie hat Sie das Josefinum geprägt?

Sara: Das Josefinum hat mich sehr geprägt, sowohl beruflich als auch persönlich. Ich habe unglaublich viel gelernt, einerseits durch die tägliche Arbeit, aber auch durch die Fortbildungen und die Vermittlung neuer Ansätze, Perspektiven und Methoden, die meine Arbeit teilweise grundlegend veränderten. Am meisten geprägt haben mich aber definitiv die Kinder und Jugendlichen, die ich begleiten durfte, und viele wissen gar nicht, dass ich vielleicht mehr von ihnen gelernt habe, als sie von mir – deren Stärke, Mut, extremes Durchsetzungsvermögen (auch wenn es für Außenstehende anstrengend werden konnte), hat mir oft extrem imponiert. Ich würde mich generell als sehr mutig beschreiben und das war ich auch schon als Kind, aber ich habe viele Kinder begleitet, die weit mutiger waren, als ich es vermutlich je sein werde. Die Zeit im Josefinum und die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen hat viele meiner Ansichten geändert: Meine Ansicht auf das Leben, meine Familie, Dinge die mir wichtig sind, Dinge die ich besser machen oder verändern möchte.

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Kontakt

Josefinum - Sozialpädagogisches und therapeutisches Zentrum
für Kinder und Jugendliche
Felseckweg 11, 9073 Viktring